Prokrastination: Warum ich beim Schreiben dieses Beitrags dreimal abgelenkt wurde

Kennst du das? Du sitzt an deinem Schreibtisch, die To-Do-Liste starrt dich wie ein hungriger Tiger an, und trotzdem findest du plötzlich dringende Gründe, warum du jetzt die Staubkörner auf dem Monitor zählen oder zum zwanzigsten Mal checken musst, ob die Pflanze genug Wasser hat. Willkommen in der wundervollen Welt der Prokrastination – dieser Mischung aus Zeitverschwendung, Schuldgefühlen und dem vagen Gefühl, dass du eigentlich etwas viel Wichtigeres tun solltest.
Für mich als Papa im Home Office ist das Ganze allerdings auf einem ganz neuen Level: Was ich nicht erledige, wird von meinem 17 Monate alten Sohn gnadenlos in Beschlag genommen – sei es mein Schreibtisch oder mein ohnehin knapper Zeitplan. Aber hey, manchmal liegt im Chaos auch die Lösung. Lass uns mal auf die Wissenschaft und das Leben schauen, um herauszufinden, warum wir prokrastinieren und was wir (theoretisch) dagegen tun könnten.
Was ist Prokrastination – und warum sind wir so gut darin?Prokrastination ist mehr als bloßes Faulenzen. Es ist das bewusste Aufschieben von Aufgaben, obwohl wir wissen, dass es uns langfristig schadet. Wissenschaftler sagen, dass Prokrastination weniger mit Faulheit zu tun hat und mehr mit emotionaler Selbstregulation. Mit anderen Worten: Dein Gehirn versucht, unangenehme Gefühle wie Stress, Unsicherheit oder Überforderung zu vermeiden – und lenkt dich stattdessen zu kurzfristig angenehmen Tätigkeiten.
Für mich bedeutet das zum Beispiel, dass ich plötzlich den unwiderstehlichen Drang verspüre, mein Arbeitszimmer aufzuräumen, wenn ich eigentlich einen Projektbericht schreiben müsste. Mein Sohn unterstützt diese Strategie tatkräftig, indem er das Aufräumen sofort wieder rückgängig macht. Ein Kreislauf, der zwar produktiv aussieht, aber nichts mit meiner eigentlichen Arbeit zu tun hat.
Die Kunst der kreativen Ablenkung: Eine persönliche Anekdote
Neulich wollte ich mich endlich an eine große Aufgabe setzen – eine Präsentation, die schon viel zu lange aufgeschoben wurde. Gerade als ich den Laptop aufgeklappt hatte, kam mein Sohn mit seinem Bagger-Spielzeug in der Hand und seinem typischen „Papa, buddeln!“-Blick. Statt mich mit Excel-Diagrammen zu beschäftigen, baute ich dann eine Mini-Baustelle aus Legosteinen, während der Bagger tapfer durch die Wohnzimmerwüste rollte.
Das Verrückte daran? Ich fühlte mich nicht mal schlecht. Prokrastination wird oft als negativ dargestellt, aber diese halbe Stunde mit meinem Sohn war erfüllend, hat mich zum Lachen gebracht – und irgendwie war ich danach entspannter, als ich tatsächlich mit der Arbeit begonnen habe. Vielleicht ist Prokrastination manchmal gar nicht das Problem, sondern die Perspektive darauf.
Die Wissenschaft hinter der Aufschieberitis
Eine der bekanntesten Studien zur Prokrastination stammt von Piers Steel, einem Psychologieprofessor. Laut ihm besteht das Problem aus vier Hauptfaktoren:
1. Erwartung: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die Aufgabe erfolgreich erledigst?
2. Wert: Wie wichtig und belohnend erscheint dir die Aufgabe?
3. Dringlichkeit: Wie nah ist die Deadline?
4. Impulsivität: Wie leicht lässt du dich von anderen Dingen ablenken?
Je niedriger die Erwartung und der Wert und je weiter die Deadline entfernt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass du auf Netflix umschaltest oder dich plötzlich in der Google-Rabbit-Hole verlierst („Sind Legosteine wirklich recyclebar?“).
Für mich heißt das: Wenn mein Sohn am Schreibtisch auftaucht, verliert meine Aufgabe sofort an „Wert“ – zumindest in diesem Moment. Und sein unwiderstehliches Lächeln hat einen Impuls, gegen den kein Projektplan der Welt ankommt.
Prokrastination verstehen – und ihr Grenzen setzen
1. Der 10-Minuten-Trick
Laut Psychologen hilft es oft, sich selbst zu überlisten, indem man eine Aufgabe für nur 10 Minuten beginnt. Danach hat man oft genug Schwung, um weiterzumachen. Neulich habe ich das ausprobiert: Statt zu denken „Ich muss den ganzen Bericht schreiben“, habe ich mir gesagt: „Ich schreibe nur die Einleitung.“ Spoiler: Die Einleitung wurde am Ende zum halben Bericht. Natürlich unterbrochen von einer Windelwechselpause – echte Papa-Prioritäten eben.
2. Die „To-Done“-Liste
Anstatt dich nur auf das zu konzentrieren, was du noch erledigen musst, schreibe am Ende des Tages eine Liste mit allem, was du geschafft hast – auch die kleinen Dinge. Ja, sogar „Bagger-Spielen mit Sohn“ gehört dazu. Das gibt dir das Gefühl von Fortschritt und motiviert für die nächste Aufgabe.
3. Mach Ablenkung zur Belohnung
Anstatt dich komplett von Ablenkungen beherrschen zu lassen, plane sie bewusst ein. „Wenn ich diese Aufgabe erledigt habe, spiele ich 20 Minuten mit meinem Sohn.“ Das Beste daran? Dein Kind wird dich nicht nur daran erinnern, sondern auch als menschlicher Timer fungieren.
Prokrastination: Fluch oder versteckter Segen?
Manchmal bringt Prokrastination uns in Schwierigkeiten. Aber sie hat auch eine überraschend positive Seite: Sie gibt uns Zeit, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, Stress abzubauen und (manchmal) kreative Lösungen zu finden. Mein Sohn ist der beste Reminder, dass das Leben nicht nur aus To-Do-Listen besteht – und dass Pausen wichtig sind, um danach fokussierter durchzustarten.
Abschluss:
Prokrastination gehört zum Leben, besonders im Home Office. Wichtig ist, dass du sie verstehst und lernst, sie für dich zu nutzen, anstatt dich von ihr beherrschen zu lassen. Also, wenn du das nächste Mal merkst, dass du aufschiebst, frag dich: Ist es wirklich ein Problem, oder brauche ich gerade einfach eine kleine Pause – vielleicht mit einem Lego-Bagger in der Hand? 😊